GOZ-Nr. 9090 Knochengewinnung (z. B. Knochenkollektor oder Knochenschaber), Knochenaufbereitung und -implantation, auch zur Weichteilunterfütterung

1. Paradigmenwechsel in der Implantologie

  • Früher: Implantationen erfolgten primär dort, wo genügend Knochen vorhanden war (größte Kieferkammhöhe/-breite).
  • Heute: Implantate werden nach statischen Gesichtspunkten geplant. Fehlt Knochen am optimalen Platz, wird er durch gesteuerte Geweberegeneration aufgebaut.

2. Bedeutung autologen Knochens

  • Definition: Autologer Knochen (eigener Knochen) gilt als überlegen gegenüber Knochenersatzmaterialien.
  • Vorteile:
    • Keine Abwehrreaktionen (Antigenreaktionen).
    • Geringere Infektanfälligkeit im Vergleich zu Fremdmaterial.
    • Hohe Regenerationsfähigkeit durch eigene biologische Eigenschaften.
  • Abrechnungsmöglichkeiten:
    • GOZ-Nr. 9090: Knochengewinnung innerhalb des Operationsgebiets.
    • GOZ-Nr. 9140: Alternative/zusätzliche Knochenentnahme außerhalb des Aufbaugebiets (z. B. Kinn oder Tuberregion).
    • GOÄ-Nrn. 2253–2259: Für größere Entnahmen (nur bei ärztlicher Approbation oder in Ausnahmefällen wie Kieferbrüchen).

3. Intraorale Spenderregionen

  • Beispiele für Knochenentnahme im Mund:
    • Kinnbereich.
    • Oberkieferfront (caudal der Spina nasalis anterior).
    • Wangenleiste (Jochbein).
    • Kieferhöhlenvorderwand.
    • Retromolare Regionen (hinter den Backenzähnen).
    • Zahnlose Kieferkammabschnitte.

4. Formen und Verarbeitung des Knochens

  • Knochenformen: Bohrmehl, Späne, Chips oder Knochenblöcke.
  • Aufbereitung: Zerkleinerung großer Segmente oder gezielte Formgebung (z. B. für Gefäßeinsprossung).
  • Verwendung:
    • Kleine Defekte: Verarbeitung zu feinkörnigem Material.
    • Große Defekte: Knochenblöcke, um Gewebedruck standzuhalten.

5. Problemfelder bei der Knochengewinnung

  • Geringe Menge: Oft ist intraoral nur wenig Knochenmaterial verfügbar.
  • Zusätzliche Operationsfelder: Neben der Empfängerregion muss oft ein weiteres intraorales Operationsfeld eröffnet werden.
  • Kombinierte Schnittführung: Eine Erweiterung vorhandener Schnitte kann erforderlich sein, ohne zusätzliche Schnitte.

6. Abrechnung (GOZ-Nr. 9090 und 9100)

  • Leistungsinhalt der GOZ-Nr. 9090:
    1. Gewinnung von autologem (Eigenknochen)Knochen innerhalb des Operationsgebiets.
    2. Aufbereitung des gewonnenen Materials (z. B. Zerkleinerung mit Knochenmühle).
    3. Einbringen/Implantation des Knochens zur Defektauffüllung oder Weichteilstützung.
  • Unterschied zur GOZ-Nr. 9100:
    • GOZ-Nr. 9090: Füllung kleiner Defekte (z. B. Extraktionsalveolen, periimplantäre Defekte).
    • GOZ-Nr. 9100: Aufbau des gesamten Alveolarfortsatzes (größere Rekonstruktionen, auch bei Zystektomien oder Kieferkammrekonstruktionen).
  • Wichtige Hinweise:
    • GOZ-Nr. 9090 ist mehrfach abrechenbar bei mehreren Defektstellen.
    • Simultane Verwendung von autologem Knochen und Knochenersatzmaterial:
      • Getrennte Schichten: Beide Leistungen sind berechenbar.
      • Vermischung: Nur analoge Abrechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ.

7. Biologische Prinzipien ("Skeletal Envelope")

  • Definition: Der "Skeletal Envelope" beschreibt den ursprünglichen Periostschlauch des Knochens.
  • Abgrenzung:

GOZ-Nr. 9090, Interner Knochendefekt:

    • Kleinere Defekte innerhalb des Skeletal Envelopes (z. B. Extraktionsalveolen) können leicht mit autologem Knochen oder Ersatzmaterial gefüllt werden.
    • Diese Maßnahmen fallen häufig unter die GOZ-Nr. 9090.

GOZ-Nr. 9100, Erweiterung des Skeletal Envelopes:

  • Bei größeren Defekten oder bei Rekonstruktionen (z. B. nach Zystektomien oder Kieferkammrekonstruktionen) wird der Hüllraum (einen abgegrenzter Bereich) über das ursprüngliche Volumen hinaus erweitert.
  • Solche Eingriffe werden unter die GOZ-Nr. 9100 gefasst.

8. Praktische Beispiele zur Abrechnung

  • GOZ-Nr. 9090 neben GOZ-Nr. 9100:
    • Unterschiedliche Aufbaugebiete: Beide Leistungen sind abrechenbar (z. B. regio 17-16 und getrennt regio 12, 11, 21).
    • Gleiche Aufbaugebiete: Überschneidung; nur eine Leistung berechenbar.
  • Simultane Eingriffe in einer Schnittführung: Nur in gut dokumentierten Ausnahmefällen berechenbar.

9. GOZ-Nr. 9090 neben GOZ-Nr. 9110 (Interner Sinuslift) und 9120 (Externer Sinuslift)

  • Problem: Die GOZ-Nrn. 9110 und 9120 umfassen bereits das "Einbringen von Aufbaumaterial". Wenn die GOZ-Nr. 9090 im gleichen Bereich berechnet wird, führt dies zu einer Doppelberechnung.
  • Regelung:
    • Keine zusätzliche Abrechnung der GOZ-Nr. 9090 für das Auffüllen des Sinusbodens oder des Zugangsgebiets.
    • Ausnahme: Ist die Implantation von autologem Knochen (z. B. Schabe-/Auffangknochen) an einem ortsgetrennten Defizit innerhalb derselben Kieferhälfte erforderlich, kann die GOZ-Nr. 9090 berechnet werden.

10. GOZ-Nr. 9090 neben GOZ-Nr. 9130 (Bone Splitting)

  • Problem: Die GOZ-Nr. 9130 umfasst die "Auffüllung der Spalträume" mit Knochen oder Ersatzmaterial. Wird die GOZ-Nr. 9090 für dasselbe Gebiet berechnet, entsteht eine unzulässige Doppelberechnung.
  • Regelung:
    • Keine Abrechnung der GOZ-Nr. 9090 für die Implantation in Spalträumen.
    • Ausnahme: Erfolgt die Knochenimplantation an einem anderen Ort, ist die GOZ-Nr. 9090 berechenbar.

11. GOZ-Nr. 9090 neben GOZ-Nr. 9140 (Intraorale Knochenentnahme außerhalb des Aufbaugebiets)

  • Regelung:
    • Die GOZ-Nr. 9090 umfasst die Gewinnung kleiner Mengen Knochen (z. B. Schabe-/Auffangknochen) innerhalb der Implantationsumgebung.
    • Ergänzung durch GOZ-Nr. 9140: Ist mehr Knochenmaterial erforderlich, kann die GOZ-Nr. 9140 für die Entnahme außerhalb des Aufbaugebiets (z. B. Kinn, Tuberregion) zusätzlich berechnet werden.

12. GOZ-Nr. 9090 neben GOZ-Nr. 4110 (Parodontaler Knochendefekt)

  • Problem: Beide Ziffern beinhalten die Implantation von autologem Knochen, was zu Überschneidungen führt.
  • Regelung:
    • Die GOZ-Nr. 9090 kann nur berechnet werden, wenn der Knochenaufbau allein der Weichteilunterfütterung dient.
    • Dokumentation: Der Operationsbericht muss die Unterscheidung klar belegen.
    • Zusatzmaßnahmen: Nicht autologe Materialien (z. B. Kollagenpatches) können separat nach GOÄ-Nr. 2442 berechnet werden.

13. Wundversorgung und Nachbehandlung

  • Mit der GOZ-Nr. 9090 abgegolten:
    • Wundverschluss ohne zusätzliche Lappenbildung.
    • Maßnahmen wie Tamponieren, Reinigen, und Glätten des Knochens.
  • Zusätzliche Abrechnung möglich:
    • Komplexere Blutstillung (GOZ-Nrn. 3050, 3060).
    • Nachbehandlungen: GOZ-Nrn. 3300, 3310.

14. Zuschläge für ambulante Operationen

  • Zusätzlich berechenbar:
    • Zuschlag GOZ-Nr. 0500.
  • Nicht berechenbar:
    • Laserzuschlag (GOZ-Nr. 0120) und Mikroskopzuschlag (GOZ-Nr. 0110) sind bei der GOZ-Nr. 9090 ausgeschlossen.

Die GOZ-Nr. 9090 kann in Kombination mit anderen Maßnahmen berechnet werden, jedoch nur, wenn keine Überschneidungen im Leistungsumfang entstehen. Bei komplexen Behandlungen ist eine eindeutige Dokumentation entscheidend, um die Abrechenbarkeit sicherzustellen.

Zusätzliche Maßnahmen neben der GOZ-Nr. 9090

Zusätzlich zur GOZ-Nr. 9090 können diverse zahnärztliche Leistungen und Materialien separat berechnet werden. Hier ist eine übersichtliche Gliederung der Maßnahmen:

1. Verbrauchsmaterialien und Operationszuschläge

  • Einmalmaterialien: Knochenfilter oder -schaber.
  • Operationszuschlag: Nach Abschnitt L GOZ (GOZ-Nr. 0500).

2. Diagnostik und Planung

  • Röntgendiagnostik: GOÄ-Nrn. 5000 ff.

3. Knochendefekte und Regeneration

  • Auffüllen von parodontalen Knochendefekten:
    • GOZ-Nr. 4110 (nur für Knochenentnahme im Aufbaugebiet).
    • Voraussetzung: Zusätzlicher Knochenaufbau nach GOZ-Nr. 9090 dient ausschließlich der Weichteilunterfütterung.
  • Biologische Maßnahmen zur Förderung der Knochenregeneration:
    • Z. B. Proteinapplikation (BMP, PRGF, PRF).
    • Abrechnung: Analoge Berechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ.

4. Weichteilmanagement

  • Schleimhaut- oder Bindegewebstransplantation:
    • GOZ-Nrn. 4130, 4133.
  • Verwendung von Membranen bei Knochendefekten:
    • GOZ-Nr. 4138.
  • Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung:
    • GOÄ-Nr. 2442.

5. Implantologie

  • Implantatinsertion:
    • GOZ-Nr. 9010.
  • Implantatfreilegung:
    • GOZ-Nr. 9040.

6. Knochenentnahme und plastische Maßnahmen

  • Entnahme von Knochen außerhalb des Aufbaugebiets:
    • GOZ-Nr. 9140.
  • Plastische Deckung im Rahmen einer Wundversorgung:
    • GOZ-Nr. 3100.
  • Lappentechniken, Vorhofplastiken:
    • GOÄ-Nrn. 2381 ff., 2675 ff.